Verleihung des Sparkassen-Umwelt-Preises 2024
Am 5. Juni 2025 fand die Verleihung des Sparkassen-Umwelt-Preises 2024 im International Department des KIT. In feierlicher Atmosphäre wurden Viola Hipler für ihre Masterarbeit und Dr. Pia Labenski sowie Dr.-Ing. Fabian Hagen für ihre Dissertationen ausgezeichnet. Außerdem wurde den erfolgreichen Absolventen der Graduiertenschule GARCE ihr Teilnahme-Zertifikat überreicht. Den Abschluss bildete Prof. Johannes Orphal mit dem Festvortrag „Eine lebenswerte Welt – wie schaffen wir das?“
Die Preisträgerinnen und Preisträger 2024 sind:
Viola Hipler: Discriminating Fog and Clouds in the Namib using Reanalysis Data Unterscheidung von Nebel und niedrigen Wolken in der Namib-Wüste mithilfe von Reanalysedaten
Charakteristisch für die Namib-Wüste ist der regelmäßige Nebel, der das Leben zahlreicher spezialisierter Organismen ermöglicht. Die Häufigkeit von Nebelereignissen variiert von der Küste bis ins Inland und bestimmt die Verbreitung von z.B. dem Nebeltrinker-Käfer genauso wie die Menge an Wasser, die aus Nebelfängern für menschliche Zwecke gewonnen werden kann. Um dieses einzigartige Ökosystem zu bewahren, ist es unerlässlich, die Prozesse besser zu verstehen, die zu Nebel führen. Bisherige Studien haben gezeigt, dass der Nebel aus Richtung des Atlantiks angeweht wird. Über dem Ozean bilden sich regelmäßig Stratuswolken, die mit dem Wind transportiert werden und bei Kontakt mit der Landoberfläche als Nebel auftreten. In Satellitenbildanalysen konnte gezeigt werden, dass die Wolkendecke in unterschiedlicher Höhe auftritt und dementsprechend in unterschiedlicher Entfernung auf die ansteigende Landoberfläche trifft. Diese unterschiedliche Wolkenhöhe lässt sich leicht in zwei Fälle einteilen, wenn man die Perspektive einer Küstenstation einnimmt: Entweder erscheint die Stratuswolke direkt als Nebel oder sie zieht als niedrige Wolke über die Station hinweg, um weiter im Inland als Nebel aufzutreten. Selbst für diese simple Zweiteilung sind die steuernden Prozesse, die zu der einen oder anderen Wolkenhöhe und damit unterschiedlicher räumlicher Verbreitung von Nebel führen, bisher unbekannt. Die vorliegende Studie ist ein erster Versuch, diese Wissenslücke zu schließen und die Mechanismen zu verstehen, die das Auftreten von Nebel im Unterschied zu niedrigen Wolken bestimmen. Die gewählte Methode spricht dabei ein weiteres bisher ungelöstes Problem an, die Unterscheidung von Nebel und niedrigen Wolken auf Satellitenbildern. Für eine Küstenstation wurden alle vom Satelliten als bedeckt gezeigten Tage mithilfe von Nebelmessern am Boden in Nebel oder niedrige Wolken eingeteilt und anschließend mit großräumigen Mustern in rückmodellierten Klimadaten (Reanalyse-Daten) abgeglichen. Aus der Untersuchung der Klimadaten konnten drei wichtige meteorologische Unterscheidungselemente identifiziert werden: die großräumige Druckverteilung, die Temperaturinversion vor der namibischen Küste und das lokale Windsystem der Namib. In der Nebelsituation ist das Südatlantikhoch schwächer ausgeprägt, sodass trockene heiße
Luftmassen vom Kontinent verstärkt Richtung westafrikanische Küste transportiert werden können. Diese drücken beim Absinken vor der Küste die Inversionsschicht nach unten, die wiederum die Wolken abdeckelt. Im Zusammenspiel mit der Seebrise, die durch unterschiedlich schnelle Erwärmung von Ozean- und Landoberfläche erklärt wird, ergibt sich der Transport der Stratuswolken auf das Festland. In einem zweiten Schritt wurden drei Algorithmen aus dem Bereich des maschinellen Lernens auf ihr Potential untersucht, anhand der meteorologischen Daten die bedeckten Tage in Nebel und niedrige Wolken einzuteilen. Die besten Klassifikationsergebnisse liefert die logistische
Regression mit 67 % Genauigkeit (accuracy), gefolgt vom Ensemblemodell Random Forest mit 64 % Genauigkeit. Ein neuronales Netz konnte die gelernten Muster nicht auf ungesehene Daten übertragen, was vermutlich der kleinen Stichprobengröße geschuldet ist. Die vorgelegte konzeptionelle Erklärung ist die erste Charakterisierung der meteorologischen Prozesse, die zur räumlichen Verteilung der Nebelhäufigkeit in der Namib führen und geht über die bloße Beschreibung der typischen Jahreszeit für Nebel respektive niedrige Wolken hinaus. Die Klassifikationsergebnisse bestätigen die Aussagekraft der Unterscheidungselemente. Sie zeigen, dass Nebel und niedrige Wolken auf Satellitenbildern in Kombination mit meteorologischen Daten differenziert werden können und eröffnen damit die Perspektive für ein zukünftiges flächendeckendes Nebel Monitoring sowie für die Vorhersage von Nebelereignissen in der Namib-Wüste.
Dr. Pia Labenski: „Assessing Fuels in European Temperate Forests and Heathlands
Using Remote Sensing“
Aufgrund des Klimawandels steigt das Feuerrisiko auch in den temperaten Ökosystemen Mitteleuropas. Vorsorgemaßnahmen und ein effektives Brandmanagement setzten ein gutes Verständnis des Brandverhaltens in der vorherrschenden Vegetation voraus. Insbesondere die oberflächennahen Brennmaterialien (bodennahe Vegetation, Streuauflage) spielen eine zentrale Rolle bei der Ausbreitung von Feuern. Diese müssen daher hinsichtlich ihrer Menge, Verteilung und ihres Zustandes präzise charakterisiert werden, um mit Hilfe von Modellen Vorhersagen über das Brandverhalten treffen zu können. Da die Feldinventarisierung von Brennmaterialien sehr aufwändig ist, werden Fernerkundungsmethoden als zeitsparende Alternative eingesetzt. Jedoch haben sich bei der Kartierung von oberflächennahen Brennmaterialien erhebliche Unsicherheiten gezeigt, da diese in satelliten- und luftgestützten Aufnahmen insbesondere in Wäldern nur schwer zu erkennen sind. In dieser Arbeit werden neue Methoden entwickelt und bestehende Techniken verbessert, um die Charakterisierung von oberflächennahen Brennmaterialien in Wäldern und Zwergstrauchheiden Mitteleuropas anhand von Nah- und Fernerkundungsdaten zu erleichtern. Zunächst wird eine detaillierte Klassifikation von oberflächennahen Brennmaterialien in Wäldern vorgestellt und ein Deep-Learning-Modell entwickelt, um diese Brennmaterialtypen anhand von Fotos und Satelliten-Zeitreihen zu identifizieren. Das Einbeziehen von unterhalb der Baumkrone aufgenommenen Fotos erleichtert die Unterscheidung verschiedener Unterwuchs- und Streutypen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Brennmaterialtypen durch den Algorithmus mit zufriedenstellender Genauigkeit identifiziert werden können und dass die Klassifikationsgenauigkeit mithilfe verschiedener Techniken weiter verbessert werden kann. Somit können Brennmaterialinformationen mithilfe georeferenzierter Fotos selbst unter dichten Baumkronen sehr effizient bereitgestellt werden. Außerdem wird die räumliche Variabilität von Brennmaterialmengen in temperierten Wäldern mittels detaillierter Laserscanningdaten und multispektraler Satellitendaten flächendeckend kartiert. Trotz Einschränkungen hinsichtlich der Präzision für einige Brennmaterialkomponenten identifiziert diese Analyse die wichtigsten Prädiktoren für deren Vorhersage, was zukünftige Kartierungsbemühungen unterstützt und gleichzeitig die Grenzen fernerkundungsbasierter Ansätze aufzeigt. Im Rahmen einer Sensitivitätsanalyse wird gezeigt, wie die Unsicherheiten bei der Schätzung der Brennmaterialmengen die Vorhersage des Brandverhaltens mit Feuerausbreitungsmodellen beeinflussen. Dabei werden die besonders einflussreichen Brennmaterialkomponenten identifiziert und damit der weitere Forschungsbedarf herausgestellt, um verlässliche Vorhersagen des Feuerverhaltens zu ermöglichen. Die zeitlichen Dynamiken von Brennmaterialien, welche das Feuerrisiko erheblich beeinflussen, werden in Gebieten mit besonders gefährdeten Zwergstrauchheiden auf Moorböden mithilfe von multispektralen Satellitenzeitreihen beschrieben. Aus diesen abgeleitete Proxies werden verwendet, um saisonale Schwankungen in der Brennmaterialfeuchte und im Anteil des abgestorbenen Pflanzenmaterials zu erfassen und dienen damit zur Eingrenzung des Zeitraumes, in dem die Vegetation besonders brandgefährdet ist. Außerdem werden die Regenerationszeiten der Vegetation nach einem Brandereignis basierend auf Zeitreihen ermittelt und wichtige Umweltfaktoren, die die Regeneration beeinflussen, identifiziert. Damit trägt die Analyse zu einem besseren Verständnis der kurz- und langfristigen Dynamiken in der Vegetationsentwicklung und der Akkumulation von Brennmaterial in besonders vulnerablen Ökosystemen bei. Die vorliegende Arbeit trägt durch methodische Weiterentwicklung zu einer effizienteren und detaillierteren Beschreibung oberflächennaher Brennmaterialien bei und erweitert gleichzeitig das Wissen über Brennmaterialien sowie das Verständnis des potenziellen Feuerverhaltens in bisher weniger feuergefährdeten und daher weniger erforschten temperierten Ökosystemen.
Dr.-Ing. Fabian Hagen: Zur Struktur von Kohlenstoffnanopartikeln
Mit einem Produktionsvolumen, das doppelt so hoch ist wie das des bedeutendsten Weispigments Titandioxid, sind Kohlenstoffnanopartikeln (CNP) das weltweit am häufigsten hergestellte Nanopartikelsystem1
CNP finden als Pigment sowie als Funktions- und Elektromaterial in einer Vielzahl von Produkten Anwendung, darunter Polymerwerkstoffe, Träger von Katalysatoren, Batterien, Brennstoffzellen, Reifen, Sensoren und Solarzellen2. Gleichzeitig befinden sich CNP aber auch in Aerosolen aus Verbrennungsprozessen, als Schadstoffe in Schadensfeuern, Energieumwandlungsprozessen und verbrennungsbasierten Antrieben. Dabei sind die globalen Gesamtemissionen aus genannten Quellen, verglichen mit der intendierten Herstellung, von gleicher Größenordnung3. In diesem Zusammenhang sind siegesundheitsgefährdend4 und leisten nach CO2 den zweitgrößten Beitrag zum anthropogenenTreibhauseffekt5. Abhängig vom Beobachtungspunkt sind CNP also entweder ein technologisch- fortschrittliches Nanomaterial oder ein den Klimawandel und die menschliche Gesundheit negativ beeinflussender Schadstoff. Da sich sowohl die positiven als auch die negativen Aspekte auf den strukturellen Bauplan der Teilchen zurückführen lassen, behandelt diese Arbeit die Struktur von CNP und adressiert dabei drei Fragestellungen von hoher Relevanz für das wissenschaftliche und technische Umfeld. Grundsätzlich lassen sich bei CNP drei Strukturebenen unterscheiden: Die Meso-, Mikro- und Nanostruktur. Während die Meso- und Mikrostruktur die Größenverteilungen der Aggregate sowie der Primärteilchen beschreibt, definiert die Nanostruktur den molekularen Aufbau der Primärpartikel, die aus aromatischen Ringstrukturen, den Basisstruktureinheiten (BSU)6, mit statistisch verteilter Längenausdehnungaufgebaut sind.
- Bestehen systematische Zusammenhänge zwischen den Strukturebenen und den optischen sowie weiteren Partikeleigenschaften?
Bereits Minutolo et al.7 vermuteten einen Einfluss der Ausdehnung und Orientierung der BSU auf das wellenlängenabhängige Absorptionsvermögen von CNP. Diese Hypothese wird sorgfältig geprüft, wobei ein quantitativer Zusammenhang zwischen der mittleren Länge der BSU in einem Partikel und einer speziellen optischen Eigenschaft, dem Verhältnis der Brechungsindex-Absorptionsfunktion bei zwei Wellenlängen, abgeleitet wird. Die gefundene Korrelation ist linear und kann im Rahmen der Arbeit theoretisch begründet werden. Doch welche Potentiale ergeben sich daraus? Ist beispielsweise bekannt, wie eine für eine bestimmte Fragestellung relevante Partikeleigenschaft, wie etwa die Reaktivität oder die elektrische Leitfähigkeit, von der Nanostruktur abhängt, so wird nun ihre berührungslose und schnelle Quantifizierung durch Messung der optischen Eigenschaften möglich. Der entsprechende Grundsatzbeweis für die in situ Bestimmung einer exemplarischen Teilcheneigenschaft - der Reaktivität - wird mit der im Rahmen dieser Arbeit entwickelten Doppelpuls zeitaufgelösten laserinduzierten Inkandeszenz (DP-TiRe-LII) erbracht. Gleichzeitig wird damit der erste berührungslose Sensor zur Nanostrukturanalyse vorgestellt. Der abgeleitete Zusammenhang zwischen den optischen Eigenschaften und der Nanostruktur kann aber auch genutzt werden, um den Einfluss bestimmter CNP, die beispielsweise bei der Verbrennung (regenerativer) Kraftstoffe in Flugzeugtriebwerken gebildet werden, auf die Wärmebilanz der Erde abzuschätzen.
- Wie verändert sich die Struktur der CNP bei der Teilchenbildung?
Zu verstehen, wie sich Meso-, Mikro- und Nanostruktur während der Partikelbildung in
Abhängigkeit von den Bildungsrandbedingungen entwickeln, eröffnet die Möglichkeit einer
gezielten Synthese von Teilchen maßgeschneiderter Topologie. Unter Zuhilfenahme neuentwickelter invasiver und laseroptischer Methoden wird deshalb die Dynamik der
Strukturveränderung der in Quasi-1D-Flammen synthetisierten Teilchen während ihrer Bildungssequenz untersucht. Dabei können Zusammenhänge zwischen den Strukturebenen und den Syntheserandbedingungen abgeleitet werden, die wiederum genutzt werden können, um CNP mit gewünschten Eigenschaften, wie etwa Reaktivität, herzustellen.
- Wie verändert sich die Struktur der CNP bei der Teilchenoxidation?
Der Umkehrprozess der Partikelbildung ist die -oxidation. Hier werden die CNP bei
Temperaturen von über 500 °C mit Sauerstoff abgebaut. Dieser Prozess bietet einerseits die Möglichkeit Partikelemissionen zu reduzieren. Andererseits erlaubt er die gezielte Beeinflussung der Partikeltopologien durch Teiloxidation. Erstmals kann unter prozessrelevanten Bedingungen an Einzelaggregaten beobachtet werden, wie sich die drei Strukturebenen bei der Oxidation verändern. Es wird bestimmt, wie sich die Mesostruktur entwickelt, und gezeigt, dass sich die Mikrostruktur in Abhängigkeit von zwei teilweise gekoppelten Oxidationsmodi verändert. Die BSU unterliegen mit fortschreitender Oxidation einer Fragmentierung. Aus diesen Befunden können Strategien für eine optimierte Oxidation ungewollt gebildeter CNP zur Emissionsminderung sowie zur gezielten Manipulation der Strukturebenen bei der Funktionsmaterialsynthese abgeleitet werden.
1Singh & Vander Wal (2019). J. Carbon Res. C 5:1–12.
2Khodabakhshi et al. (2020). Carbon 162:604–649.
3Bond et al. (2013). J. Geophys. Res. Atmos. 118:5380–5552.
4Kennedy (2007). Proc. Combust. Inst. 31:2757–2770.
5Ramanathan & Carmichael (2008). Nat. Geosci. 1:221–227.
6Yehliu et al. (2011). Combust. Flame 158:1837–1851.
7Minutolo et al. (1996). Proc. Combust. Inst. 26:951–957.