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10. bis 21. November in Belém, Brasilien

Diese Konferenz ist ein wichtiger Moment für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens und bietet die Gelegenheit zur Bestandsaufnahme der bisherigen Fortschritte und der noch erforderlichen Maßnahmen.

„Die Klimaforschung hat seither ihr methodisches und inhaltliches Verständnis des Erdsystems noch einmal deutlich vertieft – und kann Risiken heute genauer benennen als je zuvor“, sagt Professor Joaquim Pinto vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Troposphärenforschung (IMKTRO) des KIT. „Tropische Gewittersysteme und Zyklonen konnten in früheren Klimamodellen kaum realistisch abgebildet werden. Heute erreichen Erdsystemmodelle Auflösungen im Kilometerbereich und liefern deutlich präzisere Simulationen, etwa zu Starkregen, Sturzfluten oder Sturmintensitäten. Diese Verbesserungen – künftig unterstützt durch KI-basierte Modelle – helfen uns, Unsicherheiten weiter zu verringern. Für tropische Gewitter in Afrika zeigen sich leider höhere Niederschlagsintensitäten, für Zyklonen stärkere Winde und vor allem mehr Regen.“

 Sein Kollege Professor Andreas Fink (IMKTRO) stimmt dem zu: „Heute wissen wir noch viel mehr über das Klimasystem – und es gibt keine Entwarnung. So konnten wir in den letzten zehn Jahren auch mehrere potenzielle Kipppunkte besser identifizieren und ihre Wechselwirkungen grob abschätzen – etwa beim Absterben von Warmwasserkorallen oder dem Abschmelzen des grönländischen Eisschilds. Wir nähern uns hier kritischen Schwellen, teils haben wir sie womöglich schon überschritten. Besonders im Blick steht auch die atlantische Umwälzströmung, deren Abreißen gravierende Folgen für das Klima in Europa hätte. Heute kann niemand mehr sagen, er oder sie habe von diesen Risiken nichts gewusst.“

 Professor Harald Kunstmann vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMKIFU), dem Campus Alpin des KIT in Garmisch-Partenkirchen, betont, dass insbesondere die verbesserte Datenverfügbarkeit eine wichtige Errungenschaft ist: „Ein wirklicher Meilenstein der vergangenen Jahre ist der offene Zugang zu Klimadaten über das europäische Copernicus-Programm. Diese Daten sind die Grundlage vieler Analysen und Vorhersagen zu Wetterextremen oder Wasserverfügbarkeit. Sie schaffen eine gemeinsame Wissensbasis und ermöglichen eine bessere Zusammenarbeit bei der Bewältigung der Klimaveränderungen.“ (mhe)

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 Prof. Dr. Harald Kunstmann
Prof. Dr. Harald Kunstmann bei der COP30
Prof. Dr. Harald Kunstmann
Prof. Dr. Harald Kunstmann

Einschätzungen von KIT-Forschenden zur COP30

Prof. Dr. Harald Kunstmann im Interview mit dem BR

Die diesjährige COP30 in Belém, Brasilien, wird von vielen als ein entscheidender Moment für die internationale Klimapolitik gesehen. Im Gespräch mit Prof. Harald Kunstmann und Frau Knispel de Acosta wird deutlich, wie komplex die Dynamik dieser Konferenz ist und welche Chancen und Herausforderungen sie birgt. Um diesen komplexen Prozess zu bewältigen, ist es wichtig, dass sich alle beteiligten Gruppen gehört fühlen. „Sobald sich ein Block übergangen fühlt, geht sofort eine Bremse rein.“, meint Frau Knispel de Acosta. Sie sieht jedoch eine große Chance im brasilianischen Ansatz: „Mit dem Aufruf des ‚Global Mutirão‘ – einer internationalen Bewegung, in der viele Akteure gemeinsam, praktisch, solidarisch und dezentral Lösungen schaffen – wird hier auf der COP tagtäglich sichtbar, dass es nicht nur ums Reden geht.“ Auch für Kunstmann ist das zentral: „Die Rettung des Klimas ist eine solidarische Gemeinschaftsaufgabe – ein Mutirão, wie es die Brasilianer nennen und in ihrem Land mit seinen großen sozialen Herausforderungen historisch zu pflegen versuchen. Und nicht zuletzt müssen wir um jedes Zehntelgrad kämpfen, denn jedes 0,1° weniger Erwärmung ist entscheidend für die Zukunft.“ Beide plädieren für konkrete Ergebnisse – was 33 Jahre nach der Weltklimakonferenz in Rio de Janeiro und 10 Jahre nach der COP in Paris nicht verwunderlich ist. 


Neue Strukturen: Action-Agenda-Pakete 

In Belém setzt man auf sogenannte Action-Agenda-Pakete, wie den globalen Waldschutzfonds (TFFF) oder den Belém Action Mechanism (BAM). Knispel erklärt: „Brasilien hat hier mit seinem Action-Agenda-Paket wie zum Beispiel dem TFFF oder dem BAM eine sehr ambitionierte Struktur vorgelegt. Das Paket hat sechs thematische Achsen und beleuchtet alle Aspekte, die bisher eben nicht Teil der vorherigen Verhandlungen waren.“ Diese Achsen umfassen Themen wie gerechte Transition, den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen bis hin zu Multi-Akteurs-Partizipation.

Nationale Klimabeiträge (NDCs) und rechtliche Lücken

Ein weiteres zentrales Thema sind die jährlich einzureichenden nationalen Klimabeiträge (NDCs – National Determined Contributions). Knispel betont: „Die Fortschreibung der nationalen Klimabeiträge (NDCs) bleibt ein zentraler Punkt dieser COP, doch ein grundlegendes strukturelles Problem besteht fort: Die Erreichung bzw. Einhaltung der NDC- Ziele ist rechtlich laut Pariser Abkommen nicht verpflichtend.“ Ohne rechtliche Verpflichtung und internationale Sanktionsmechanismen bleiben oft nur leere Versprechen. Zwar hat der Internationale Gerichtshof (IJC) kürzlich geäußert, dass ein Überschreiten von 1,5 °C im eigentlichen Sinne rechtswidrig sei, da Staaten eine Pflicht zum Schutz der Menschenrechte und der Umwelt haben. Doch hier trifft nationales Recht auf internationales „Soft Law“ – mit entsprechenden Folgen.

Anpassung an den Klimawandel 

Neben dem Klimaschutz spielt die Klimawandelanpassung auf den COPs eine immer größere Rolle. Denn selbst bei allen Bemühungen wird der Klimawandel so weit voranschreiten, dass es Klimafolgen geben wird (und jetzt schon gibt), an die wir uns anpassen müssen. Dafür gibt es sogenannte nationale Anpassungspläne (NAPs – National Adaptation Plans). Diese Strategien sollen Länder – insbesondere Entwicklungsländer – auf die Auswirkungen des Klimawandels wie Dürren, Überschwemmungen und den Anstieg des Meeresspiegels vorbereiten. Ihre Hauptziele sind die Verringerung der Klimavulnerabilität, die Integration von Anpassungsmaßnahmen in die öffentliche Politik, die Planung auf Basis wissenschaftlicher Daten und der Zugang zu internationalen Klimafinanzierungen. Doch wie bei den NDCs beruhen auch die NAPs auf Freiwilligkeit. Knispel warnt: „Ohne verbindliche NAP-Umsetzung bleibt das Adaptationsziel politisch ambitioniert, aber operativ schwach. Die neuen Finanzzusagen könnten diesen Hebel erstmals deutlich stärken.“ Deutschland gibt auch 2025 wieder 60 Millionen Euro für den Anpassungsfonds. Am 12. November wurden zudem 300 Milliarden US-Dollar aus philanthropischen Quellen für den Bereich Climate & Health verabschiedet – ein deutliches Zeichen, dass große private Akteure die Anpassung als Schlüsselhebel erkennen und unterstützen.

Die Rolle der Wissenschaft

Auch die Wissenschaft ist präsent: Das KIT lieferte auf der COP30 wissenschaftliche Grundlagen für den Klimaschutz – direkt vor Ort, indem beide Forschende sich in die Diskussionen einbringen und die Wissenschaft vertreten. Kunstmann organisierte zusammen mit afrikanischen Partnern einen side event zum Thema „Frühwarnung, vorausschauendes Handeln und Risikoversicherungen für ein proaktives Katastrophenrisikomanagement“ und hielt hier einen Vortrag über gegenwärtige Forschung zur verbesserten Vorhersage von Dürren Wochen und Monate im Voraus. Knispel hielt Vorträge zu den Themen Climate Data Gap, Wasserknappheit in Afghanistan sowie Urban Planning für vulnerable Communities. Diese Vorträge sollen später auch online verfügbar sein, um die weltweite Wahrnehmung der Rolle der Wissenschaft zu stärken. Beide KIT-Forschenden sind sich einig: Fakten allein überzeugen nicht immer. Die COP müsse daher nicht nur ein Ort des Verhandelns sein, sondern zunehmend auch eine Plattform zum Austausch von Strategien und Lösungsansätzen sein und über die Gruppendynamik besonders den Ehrgeiz bei der Umsetzung fördern. „Spürbar ist die Energie hier auf jeden Fall.“, meint Knispel.

Herausforderung Konsens 

Wie auch bei den vorherigen COPs wird es eine große Herausforderung sein, die unterschiedlichen Interessen der beteiligten Nationen in einen konkreten Text zu überführen. Kunstmann erklärt: „Es ist wichtig zu betonen, dass bei der COP nicht nur ein einziges Dokument entsteht, sondern viele verschiedene Texte verfasst werden. Zwar gibt es ein finales Dokument, doch die öffentliche Wahrnehmung hängt oft daran, ob ein bestimmtes Ergebnis erreicht wird – bleibt dies aus, gilt die gesamte COP schnell als Misserfolg.“ Knispel ergänzt: „Das Timing der Textpakete ist kritisch. In Paris wurde erst veröffentlicht, als wirklich jede Gruppe konsultiert war – das schafft Vertrauen.“ Und Vertrauen wird gebraucht – nicht nur auf der COP30 in Belém, sondern auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten beim globalen Klimaschutz. Kunstmann betont, wie wichtig es ist, wissenschaftliche Fakten in den politischen Raum zu tragen, und sieht die diesjährige COP als potenziell wegweisend. Denn Brasilien startete hier eine Initiative zur „Informations-Integrität“, um Desinformation zum Klimawandel bewusst und entschieden zu begegnen. Knispel unterstreicht: „Ob wirklich die COP30 wegweisend wird, hängt davon ab, ob Entscheidungen getroffen werden, die über Absichtserklärungen hinausgehen und eine kontinuierliche Umsetzung einleiten. Wenn nicht, könnte Belém eher als weiterer reiner ‚Konferenzpunkt‘ in der Reihe enden.“

Zu den Personen

Sissi Knispel de Acosta nahm bereits an nahezu allen COP-Veranstaltungen teil, arbeitet für die European Climate Research Alliance (ECRA) und brachte auf der COP30 ihre Expertise in europäischer Klimapolitik sowie Wissenschaftsdiplomatie ein. Prof. Harald Kunstmann ist stellvertretender Institutsleiter am Campus Alpin des KIT in Garmisch-Partenkirchen (IMKIFU). Auch er ist seit 2015 in Paris regelmäßig auf den COP Klimakonferenzen aktiv und ist Experte für regionale Klimaforschung und Hydrologie. Ein Schwerpunkt seiner regionalen Forschung liegt dabei auch in Afrika. Das Interview führte Julian Kragler vom Süddeutschen Klimabüro am KIT.