Preisträger des 37. Sparkassen-Umwelt-Preises 2016

Die Umweltstiftung der Sparkasse Karlsruhe und das Karlsruher Institut für Technologie

haben mit dem 37. Sparkassen-Umweltpreises 2016 die Diplom- und Masterarbeiten von Dorothea Ko, Andreas Boukis und Simon Gruber sowie die Dissertationen von Dr. Emma Järvinen, Dr.-Ing. Maria Pia Herrling und Dr. Alexander Zellner ausgezeichnet. Die Preise wurden im Rahmen der Jahrestagung des KIT-Zentrums Klima und Umwelt feierlich überreicht.

hinterste Reihe: Frank Schilling, Rainer Suntz
dritte Reihe: Michael Huber, Bernhard Vogel, Harald Horn, Thomas Leisner
zweite Reihe: Martin Breunig
vorderste Reihe: Andreas Boukis, Simon Gruber, Maria Pia Herrling, Alexander Zellner
Foto: Tanja Meißner
 
Dorothea Ko:
Masterarbeit: 
Analyse räumlicher Nachbarschaften im industriellen Gewerbe mit Methoden des Data-Minings
Ein erheblicher Teil des industriellen Energiebedarfs ist auf die Bereitstellung von Prozesswärme zurückzuführen. Um den damit verbundenen Energiebedarf effizient zu gestalten, können Verbesserungen auf unterschiedlichen technischen Ebenen durchgeführt werden. Ein Ansatz hierfür ist die Nutzung von nicht verwerteter Wärme eines Prozesses, sogenannte Abwärme, durch Wärmeintegration. Die Möglichkeit der Wärmeintegration beschränkt sich nicht nur auf die innerbetriebliche Ebene, sondern kann auch zu einem überbetrieblichen Netz aus Wärmeüberträgern ausgebaut werden. Der Austausch der Energieströme setzt aus wirtschaftlichen Gründen eine räumliche Nähe der Partner untereinander voraus, weshalb die Entfernung zwischen den Industriestandorten das erste zu berücksichtigende Kriterium ist.
Ziel dieser Masterarbeit ist es, einen Kollokationsmusterminer zu implementieren, der effizient aus einer großen Datenmenge und unter Berücksichtigung des Abstandes, benachbarte Partner für den potentiellen Wärmeaustausch findet. Der dadurch gewählte Data-Mining Ansatz erlaubt es, vorher unbekanntes, aber interessantes Wissen in einer großen Datenmenge aufzudecken, ohne vorher Annahmen zu treffen. Der Kollokationsmusterminer bildet mit seinem Ergebnis den ersten Schritt zur Lösung in der übergeordneten Fragestellung zur Erfassung und Bewertung von Energieeinsparpotentialen durch überbetriebliche Wärmeintegration in Deutschland. Er liefert Zusammenhänge, die in weiteren Analysen verwendet werden, um Entscheidungsträger auf dem Weg zur nachhaltigen Gestaltung des Energiebedarfs zu unterstützen.
 
Andreas Boukis
Masterarbeit: 
Neue Monomere und Polymere mittels der Biginelli-Reaktion
In meiner Masterarbeit mit dem Thema „Neue Monomere und Polymere mittels der Biginelli-Reaktion“ wurde ein neues Konzept zur nachhaltigen Synthese von Hochleistungspolymeren aus nachwachsenden Rohstoffen aufgezeigt. Um diese neuartigen Polymere zu synthetisieren wurde die Biginelli-Reaktion erstmals als Stufenwachstumspolymerisation eingesetzt.
Ein großer Vorteil der Biginelli-Reaktion im Sinne der Umweltfreundlichkeit ist zum einen die hohe Effizienz und zum anderen, dass alle eingesetzten Komponenten aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden können und nicht in Konkurrenz zu Nahrungsmitteln stehen.
Darüber hinaus verläuft die Biginelli-Polymerisation exotherm und ist deshalb nicht nur energieeffizient, sondern produziert sogar Wärme und lediglich Wasser als Nebenprodukt.
Die neu synthetisierten Polymere weisen sehr rigide Strukturmotive mit interessanten Eigenschaften wie z.B. hohe thermische Beständigkeit auf. Im Vergleich zu kommerziellen Polymeren aus nachwachsenden Rohstoffen, zeigen Biginelli-Polymere sehr hohe Glasübergangstemperaturen, was eine Seltenheit für Polymere aus nachwachsenden Rohstoffen ist. Dies erlaubt Anwendungen, die für kommerzielle Polymere aus nachwachsenden Rohstoffen bislang undenkbar waren.
 
Simon Gruber 
Masterarbeit: 
Numerische Simulationen von Kondensstreifen auf der regionalen Skala zur Prognose des Photovoltaik-Ertrags
Die kurzwellige solare Einstrahlung am Erdboden wird deutlich vom Wolkenbedeckungsgrad beeinflusst. Daher hängt beispielsweise die Prognose des Ertrags von Photovoltaikanlagen unter anderem von einer möglichst exakten Vorhersage der hohen Wolken ab. Ein spezieller Typ hoher Wolken sind Kondensstreifen. Diese linienförmigen Wolkenstrukturen entstehen aus den Abgasen von Flugzeugen. Bei günstigen Umgebungsbedingungen können Kondensstreifen über viele Stunden existieren und sich dabei zu sogenannten Kondensstreifenzirren entwickeln, die natürlicher Zirrusbewölkung ähneln und weite Teile des Himmels bedecken. Dieses Phänomen wird in der operationellen Wettervorhersage bisher nicht berücksichtigt.
Um den Einfluss von Kondensstreifen auf die kurzwellige Einstrahlung am Erdboden zu quantifizieren, wurde ein hoch auflösendes regionales Atmosphärenmodell um eine Parametrisierung erweitert, welche es erlaubt, die Entstehung, sowie den Lebenszyklus von Kondensstreifen zu berechnen. Die Eiskristalle in jungen Kondensstreifen sind sehr viel kleiner und besitzen eine andere Form als natürlich vorkommende Kristalle. Daher wurden jene Teile des Modells, welche die mikrophysikalischen Prozesse in Wolken beschreiben, dahingehend erweitert, dass eine Beschreibung von Kondensstreifen und Kondensstreifenzirren sowie deren Wechselwirkung mit natürlichen Zirren möglich ist. Auch die Berechnung der Strahlungsflüsse im Model wurde derart angepasst, dass der Einfluss von Kondensstreifen und Kondensstreifenzirren berücksichtigt werden kann.
Der für die Simulationen zugrundeliegende Datensatz für den Flugverkehr enthält für ein begrenztes Gebiet über Mitteleuropa zeitlich und räumlich hoch aufgelöste Flugzeugtrajektorien, welche aus Echtzeitdaten abgeleitet wurden. Im Hinblick auf die räumliche und zeitliche Auflösung in Verbindung mit der exakten Berechnung der mikrophysikalischen Prozesse und der Strahlungsflüsse ist die vorgestellte Modellkonfiguration bisher einzigartig.
Modellergebnisse für einen Testfall wurden unter anderem mit Satellitenbildern für den simulierten Zeitraum verglichen. Es zeigte sich, dass das Modell bei Berücksichtigung von Kondensstreifen und Kondensstreifenzirren die Satellitenbeobachtung deutlich besser nachbildet als Referenzrechnungen ohne diese Effekte. Es wird gezeigt, dass sich zum einen der Bedeckungsgrad in den höheren Atmosphärenschichten durch zusätzliches Kondensstreifeneis erhöht, zum anderen nimmt die Bedeckung von natürlichen Zirren aufgrund der Bildung von Kondensstreifen ab. Hinsichtlich der Strahlungswirksamkeit von Kondensstreifen und Kondensstreifenzirren überwiegt die Reduzierung der am Erdboden ankommenden kurzwelligen Strahlung. Es wird ein Rückgang um bis zu 10% berechnet.
Die vorliegende Arbeit ist zum einen als Prozessstudie zu verstehen, zum anderen eignen sich die entwickelten Methoden zum Einbau in operationelle Wettervorhersagemodelle. 
 
Dr. Emma Järvinen
Dissertation: 
Investigations of Angular Light Scattering by Complex Atmospheric Particles
Atmosphärische Teilchen sind nicht nur im alle Größen zu befinden aber sind häufig irregulär und sogar komplex. Mit einer derart riesigen Auswahl von Formen, Größen und Mikrostrukturen ist die Vorhersage ihrer Lichtstreueigenschaften eine große Herausforderung. Die Überwindung dieser Herausforderung ist aber essenziell, da diese Partikel den Energiehaushalt der Erde durch Streuung und Absorption beeinflussen und zu Unsicherheiten in Klimaprognosen führen. Nach wie vor wird viel Aufwand darin investiert, das Problem durch theoretische, numerische oder experimentelle Arbeiten zu lösen. In dieser Arbeit wird einen experimentellen Ansatz vorgenommen, um das Lichtstreuverhalten von komplexen Partikeln mit neuesten optischen Methoden in Wolkenkammerexperimenten und mit Messflugzeugen, wie z.B. dem deutschen HALO (High Altitude and LOng Range) Messflugzeug, zu untersuchen.
Messungen der räumlichen Verteilung von vorwärts gestreutem Licht enthält hingegen Informationen über die Mikrostruktur von größeren Partikeln. Diese Methode war in Labor- und Feldmessungen angewandt, um den Grad der Eispartikelkomplexität zu bestimmen. In direkten insitu Messungen wurde nachgewiesen, dass Komplexität eine weit verbreitete Eigenschaft von atmosphärischen Eispartikeln ist, was schon indirekt, durch Satellitenbeobachtungen indiziert war.
Die Eispartikelkomplexität resultiert in einer Winkelstreufunktion mit einem niedrigen Asymmetrieparameter von 0.796±0.02 und zeigt wenig Variation zwischen verschiedenen Messorten in der Atmosphäre. Diese neuen Beobachtungen und Ergebnisse lassen schließen, dass die kühlende Wirkung von Eiswolken stärker ist als sie bisher in den Klimamodellen angenommen wurde. Die Arbeit schlägt deshalb eine neue Parametrisierung des globalen Lichtstreuverhalten von Eiswolken vor, die derzeit in aktuelle Klimamodelle implementiert und getestet wird.
 
 
Dr.-Ing. Maria Pia Herrling:
Dissertation: 
Nanopartikel in Biofilmsystemen – Untersuchung der Interaktionen mittels Magnetischer Suszeptibilitätswaage und Magnetischer Resonanz Tomographie
Der verstärkte Einsatz von synthetischen Nanopartikeln (engl. engineered nanoparticles (ENP)) in industriellen Prozessen und Konsumgütern führt durch ihren Eintrag den Wasserkreislauf zu großen Problemen für Mensch und Umwelt. Dabei stellen kommunale Kläranalgen eine wichtige Senke für ENP dar um ihren weiteren Transport in die Umwelt zu verhindern. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der biologischen Reinigungsstufe, die durch die Bindung von ENP an Biofilmen zu der gewünschten Reinigung des Wassers von ENP führt. Jedoch sind die Interaktionen der ENP mit Biofilmen weitestgehend unklar. In dieser Dissertationsarbeit wurden die Interaktionen von Eisenoxid-ENP mit Biofilmen in realen Wasserproben hinsichtlich des Einflusses der Wasserchemie, Biofilmeigenschaften und Expositionszeit untersucht. Dazu wurden innovative analytische Ansätze eingesetzt. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass organische Materie ENP in der Wassermatrix stabilisieren und somit die Sorption an Biofilme abgeschwächt wird. Des Weiteren haben sich die getesteten Eisenoxid-ENP - unabhängig von Größe und Funktionalisierung – hautsächlich an der Oberfläche und den äußeren Biofilmschichten angelagert und penetrierten den Biofilm nicht vollständig. Im Gegensatz dazu ist die Sorption der ENP von der Struktur der Biofilme abhängig: offenporige Biofilme begünstigen die Sorption um ein Vielfaches im Vergleich zu glatten Biofilmstrukturen. Um jedoch die Langzeitfolgen von der Interaktion von ENP mit den Biofilmen zu beobachten, spielt die Zeitskala eine wichtige Rolle. Beispielsweise können Änderungen in der Biofilmstruktur beobachtet werden. Nach 3 h Expositionszeit haben sich Teile des Biofilms, die ENP enthalten, abgelöst und so wurde der Biofilm in seiner Funktion beschädigt. Die erzielten Ergebnisse tragen dazu bei, die Interaktionen von ENP mit Biofilmen besser zu verstehen und die ENP-Elimination in Kläranlagen abzuschätzen. Da Biofilme in der Umwelt ubiquitär sind, können die Ergebnisse auf weitere Stoffströme übertragen werden.
 
Dr. Alexander Zellner
Dissertation
Bestimmung von Konzentrationsverteilungen in katalytischen Reaktoren durch planare laser-induzierte Fluoreszenz am Beispiel der Reduktion von NO in einem Dieseloxidationskatalysator
 
Zentrale gesellschaftliche und politische Aufgaben und Ziele des 21. Jahrhunderts sind der Übergang zur Energieversorgung aus erneuerbaren Energien und der Übergang zu einer emissionsarmen Mobilität. Die Grundlage der heutigen Mobilität beruht auf der Nutzung fossiler Energieträger in Verbrennungsmotoren. Durch die verwendeten Verbrennungsprozesse kommt es zur Emission von schädlichen Abgasen, die sich belastend auf die Umwelt und den Menschen auswirken. Schadstoffemissionen aus dem Mobilitätssektor haben einen wesentlichen Anteil an der heute messbaren Luftverschmutzung im urbanen Bereich. Von besonderer Bedeutung sind hierbei die Verbindungen der Stickoxide (NO, NO2 und N2O), Kohlenmonoxid (CO), Schwefeldioxid (SO2), flüchtige Kohlenwasserstoffe (VOC), Rußpartikel und Feinstaub. Die Minimierung dieser schädlichen Abgase erfolgt einerseits über innermotorische Maßnahmen und andererseits über ein nachgeschaltetes Abgasnachbehandlungssystem. Die physikalisch und chemisch ablaufenden Vorgänge innerhalb eines solchen Katalysatorsystems sind allerdings äußerst komplex. Innere und äußere Transportprozesse, die Kinetik der ablaufenden Reaktionen, Art, Verteilung und Dispersion der Edelmetallpartikel sowie Einflüsse des Washcoats, der Temperatur und der Gasphasenzusammensetzung wirken sich auf die Effizienz eines Katalysators aus. Das Leistungspotenzial ist offensichtlich von mehreren Parametern abhängig, die durch den Einsatz von Experimenten und numerischen Simulationen immer weiter verbessert und verstanden werden müssen. Durch den Einsatz moderner In-situ-Methoden können neue Erkenntnisse und Informationen direkt in der Reaktionszone solch komplexer Katalysatorsystemen während des ablaufenden Prozesses gewonnen werden. 
In der vorliegenden Arbeit wurde dahingehend die Minderung und Reduktion von Stickoxiden über einem in der Automobilindustrie zum Einsatz kommenden Platinkatalysator mittels planarer laserinduzierter Fluoreszenz (LIF) untersucht. Damit konnte erstmalig die katalytische Reduktion von NO in einem Strömungskanal mit einer zweidimensionalen räumlichen Auflösung verfolgt werden. Im Rahmen dieser Arbeit wurden die Einflüsse unterschiedlicher Betriebsparameter auf den Umsatz, die Überlagerung des konvektiven und diffusiven Stofftransports sowie der ausgebildeten Konzentrationsgrenzschicht oberhalb des Katalysators dargestellt. Die  zweidimensional aufgelösten Ergebnisse liefern einen gänzlich neuen Beitrag zu den experimentell zur Verfügung stehenden Daten der Reduktion von NO mit H2 über kommerziellen Platinkatalysatoren.