33. Umweltpreis der Sparkasse

 

Zum Schutz der Umwelt forschen gehört am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) seit langem zum Aufgabengebiet der Wissenschaft. Der Umweltpreis der Sparkasse Karlsruhe Ettlingen wurde in diesem Jahr bereits zum 33. Mal verliehen. Die Stiftung würdigte zwei wissenschaftliche Arbeiten aus den Bereichen Bauingenieur-, Geo- und Umweltwissenschaften und Architektur. Im Rahmen der Jahrestagung des KIT-Zentrums Klima und Umwelt am 27. Juli 2013 überreichten der Vorstand der Sparkasse Karlsruhe Ettlingen und der Vizepräsident des KIT den Preis, welcher mit 15.000 Euro dotiert ist.

(v.l.n.r.: Herr Bürgermeister Klaus Stapf, Herr Michael Huber – Vorsitzender der Sparkasse Karlsruhe Ettlingen, Frau Prof. Kerstin Gothe, Preisträgerin Frau Dipl.-Ing. Daniela Walz, Preisträger Herr Dipl.-Ing. Sebastian Selbmann, Preisträgerin Frau Dr. Nina Schleicher, KIT-Vizepräsident Herr Dr. Peter Fritz)

 

 

 Preisträger

 Fakultät

 Kurzfassung der Arbeit

Dr. Nina Schleicher

Bau-, Geo- und Umweltwissenschaften

Chemische, physikalische und mineralogische Eigenschaften atmosphärischer Partikel in der Megastadt Peking

Dipl.-Ing. Daniela Walz, Dipl.-Ing. Sebastian Selbmann

Architektur

GUT WALSHAUSEN IM INNERSTETAL
(Wieder-)Entdeckung regionaler Energiekreisläufe?

 

Übersicht der prämierten Arbeiten

 

Dr. Nina Schleicher

Chemische, physikalische und mineralogische Eigenschaften atmosphärischer Partikel in der Megastadt Peking

In meiner Doktorarbeit mit dem Thema „Chemical, physical and mineralogical properties of atmospheric particulate matter in the megacity Beijing“ habe ich mich mit der komplexen Luftqualitätssituation in der Megastadt Peking beschäftigt. Hierzu wurden umfassende geochemische Untersuchungen an Aerosolpartikeln unterschiedlicher Größe (Grobstaub, Feinstaub: PM2.5 und PM1) durchgeführt. Der kombinierte Ansatz, gleichzeitig die Massen-, Element-, Ruß-, und wasserlösliche Ionenkonzentrationen zu bestimmen und vor allem die lange kontinuierliche Messreihe über mehrere Jahre an sechs Standorten sind einzigartig. Eine Besonderheit der Arbeit ist außerdem, dass zum ersten Mal in einer Megastadt wie Peking dabei über einen mehrjährigen Zeitraum auch nach Tag-/Nacht-Konzentrationen unterschieden wurde. Hiermit konnte die räumliche und zeitliche Variabilität der urbanen Aerosolkonzentration sowie die wichtigsten Einflussparameter wie Meteorologie, Landnutzung und Quellen, identifiziert werden. Dieses Wissen ist wichtig für eine nachhaltige Stadtentwicklung in der Zukunft. Erst dieser detaillierte Datensatz ermöglicht die Entwicklung angepasster und somit effektiverer Luftreinhaltestrategien für Peking um damit die Lebensumstände der Millionen betroffener Bewohner zu verbessern.

Während sich zahlreiche Studien weltweit mit Metallkonzentrationen in Städten beschäftigen, wurden in der vorliegenden Arbeit zudem gezielt die mobilen Anteile dieser Metalle untersucht. Diese sind von immenser Bedeutung, da sie besonders leicht bioverfügbar sind und daher eine große Gesundheitsrelevanz haben. Hierzu habe ich sequentielle Extraktionen, welche bei Boden- oder Sedimentproben häufiger, bei Aerosolpartikeln hingegen extrem selten angewendet werden, durchgeführt. Mit diesem Ansatz wurde gezeigt, dass mehr als 50% der toxischen Metalle in den Aerosolen mobil oder sogar sehr mobil und somit einfach in der menschlichen Lunge aufgenommen werden und den Organismus schädigen können. Dieser Teil der Doktorarbeit trägt somit entscheidend zur besseren Charakterisierung der Gesundheitsrelevanz atmosphärischer Partikel sowie ihrer wichtigsten Quellen bei.

Des Weiteren wurden in der Doktorarbeit der Einfluss von Emissionsminderungsmaßnahmen auf die Partikelkonzentration und Aerosolzusammensetzung während der Olympischen Spiele im Sommer 2008 in Peking untersucht. Durch die detaillierte Untersuchung der Aerosolpartikel in Peking nicht nur während, sondern auch vor und nach den Olympischen Spielen, konnten die Auswirkungen der implementierten Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin untersucht werden. Zu den Maßnahmen gehörten unter anderem die Schließung von Industrieanlagen und Verminderung des Verkehrsaufkommens. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass in diesem Zeitraum die gröberen stärker als die feineren Partikel reduziert wurden. Ursache hierfür ist hauptsächlich die längere Verweilzeit der feineren Aerosole in der Atmosphäre und somit der größere Einfluss von Ferntransport und daher von Quellen außerhalb der Region mit Minderungsmaßnahmen für diese Partikelfraktion. Auch die Bedeutung unterschiedlicher Quellen während der Zeit mit den strikten Maßnahmen wurde untersucht. Unter anderem wurde Ruß (Black Carbon), ein typischer Indikator für anorganische Verschmutzung von anthropogenen Verbrennungsquellen, während der Olympischen Spiele stark reduziert. Die Erkenntnisse, die aus dieser Studie während der Olympischen Spiele in Peking gewonnen wurden, sind für die Planung zukünftiger Luftreinhaltemaßnahmen von großer Relevanz.

Ein anderer wichtiger Aspekt der Doktorarbeit war die detaillierte Untersuchung von Einzelpartikeln. Hierzu wurden an der ANKA (Angströmquelle Karlsruhe, KIT Campus Nord) mittels Synchrotronstrahlung basierter Röntgenfluoreszenz Einzelpartikel auf ihre kleinräumige Elementzusammensetzung hin untersucht. Derartige Untersuchungen wurden bisher noch von keiner Arbeitsgruppe weltweit durchgeführt. Das Wissen über die inhomogene Zusammensetzung von Einzelpartikeln ist wichtig, da grobe geogene Partikel als “Scavenger” („Fänger“) für feinere toxische Partikel dienen. Diese Anlagerung von feinen Partikeln anthropogener Herkunft mit hohen toxischen Metallkonzentrationen an gröbere Partikel konnte in der vorliegenden Arbeit exemplarisch aufgezeigt werden. Luftreinhaltungsmaßnahmen beginnen normalerweise mit der Reduktion der Grobstaubkonzentrationen. Als Folge fehlen diese Partikel im Gegenzug als Scavenger für feine Partikel und deren Konzentration wird ansteigen. Meine Doktorarbeit hat gezeigt, dass die Untersuchung der Wechselwirkung zwischen geogenen und anthropogenen Partikel ein wichtiger Aspekt ist und daher sollte sie in zukünftigen Forschungsarbeiten noch weiter untersucht werden.

Generell wurden in dieser Arbeit viele verschiedenartige Aspekte untersucht welche in ihrer Gesamtheit ein signifikant verbessertes Verständnis der komplexen Luftverschmutzungssituation in einem dicht besiedelten urbanen Raum liefern. Dieses Wissen wird dabei helfen, zukünftige Luftreinhaltemaßnahmen effizienter planen zu können und liefert eine wichtige Datengrundlage für weitere Luftqualitäts- und Gesundheitsstudien weltweit.

 

Dipl.-Ing. Daniela Walz, Dipl.-Ing. Sebastian Selbmann

GUT WALSHAUSEN IM INNERSTETAL

(Wieder-)Endeckung regionaler Energiekreisläufe?

- Kurzfassung -

Motivation

Der Ausgangspunkt und die Motivation für die vorliegende Diplomarbeit war die reale Fragestellung nach einem neuen Energie- und Nutzungskonzept für das Gut Walshausen. Es handelt sich dabei um ein denkmalgeschütztes historisches Gebäudeensemble im ländlichen Raum des Innerstetals in Niedersachsen, das in seiner nahezu 900-jährigen Geschichte zunächst als landwirtschaftliches Gut, dann als repräsentativer Sommersitz diente. Nach einer längeren Phase des Leerstandes wurde es von mehreren Pächtern schrittweise saniert und zum Wohnen und Arbeiten umgenutzt. Aktuell ziehen diese sich nach und nach zurück, ohne dass eine Nachfolge absehbar wäre.

Um die Anlage zukünftig erhalten zu können, ist neben einem neuen Nutzungskonzept eine Umstellung der Energieversorgung notwendig, da die bisherige Beheizung mit fossilen Energieträgern weder nachhaltig noch finanziell tragbar ist. Die Frage einer Gruppe von momentanen Nutzern war nun, ob sich das Gut Walshausen mit Holz aus dem Gutspark eigenständig mit Energie versorgen kann.

 

Hintergrund

Im Zuge der Diplomarbeit wurde der Betrachtungsrahmen auf das regionale Umfeld erweitert. Dies geschah aus zwei Gründen: Zum einen ist das Gut Walshausen als bauliches Kulturgut eingebettet in die Kulturlandschaft des Innerstetals. Der Begriff der Kulturlandschaft, der zunächst jede vom Menschen gestaltete Landschaft in Abgrenzung zur reinen „Naturlandschaft“ meint, bekommt hier eine weitere Dimension als Raum, der sich durch die Dichte und Qualität seiner Kulturdenkmäler auszeichnet. Mögliche Veränderungen am Gut Walshausen sind in diesem Kontext zu betrachten.

Zum anderen werden ländliche Räume durch den Wechsel von fossilen zu regenerativen Energieträgern wieder verstärkt zu Energieproduzenten. Zahlreiche Gemeinden und zunehmend auch ganze Regionen haben sich das Ziel einer autarken Energieversorgung gesetzt oder diese bereits erreicht. Für diese Arbeit wurde davon ausgegangen, dass dieser Prozess sich fortsetzen wird und es eine entscheidende Zukunftsfrage für ländliche Räume ist, ob und wie sie erneuerbare Energieträger in die Landschaft integrieren.

Dabei ist zu bedenken, dass landwirtschaftlich geprägte Kulturlandschaften wie das Innerstetal schon immer auch Energielandschaften waren. Indem sie Lebensmittel für Mensch und Tier sowie Biomasse zum Heizen produzierten, deckten sie über lange Zeit den Großteil der Bedarfe an Kraft und Wärme. Dies änderte sich erst mit dem Aufkommen der fossilen Energieträger. Aktuell stellt sich die Frage, wie Kulturlandschaften trotz des gewachsenen und veränderten Energiebedarfs wieder an ihre historische Funktion als Energieproduzenten anknüpfen können.

 

Aufgabe

Vor diesem Hintergrund wurde daher die Frage nach einer Energieautarkie des Gutes Walshausen in zwei Richtungen erweitert: Kann es fehlende Energie aus der Region beziehen oder – sei es als Beispielprojekt oder durch tatsächliche Energieüberschüsse – zum Ausbau der regenerativen Energieproduktion im Innerstetal beitragen?

Im Rahmen der Diplomarbeit sollte ein Vorschlag für ein neues Nutzungs- und Energiekonzept des Gutes Walshausen erarbeitet werden, das als Baustein und konkretes Beispiel in ein Entwicklungsszenario der Region Innerstetal hin zu einer vermehrten lokalen Energieproduktion eingebunden ist.

 

Ziele

Daraus ergaben sich folgende Teilziele:

  • Herausarbeiten der Qualitäten und historischen Nutzungsmuster des Gutes Walshausen
  • Bilanzierung des Heizenergiebedarfes des Gutes und Gegenüberstellung mit der im Park verfügbaren Biomasse
  • Herausarbeiten der Qualitäten der Kulturlandschaft des Innerstetals
  • Gegenüberstellung von Energiebedarf sowie tatsächlicher und möglicher Energieerzeugung im Tal
  • Entwicklung von Veränderungsvorschlägen für die Region Innerstetal und das Gut Walshausen, durch die regionale Energiekreisläufe gefördert werden

 

Ergebnisse

Im ersten Teil wird das Gut Walshausen hinsichtlich seiner Grundeigenschaften und seiner historischen Nutzung untersucht. Darauf folgt eine Bilanzierung des Heizenergiebedarfs und der Abgleich mit der im Gutspark verfügbaren Biomasse. Als erstes Zwischenergebnis wird festgestellt, dass eine autarke Versorgung im momentanen Zustand nicht möglich ist. Es wird damit die bisher fehlende Wissensbasis über die prinzipielle Möglichkeit einer Selbstversorgung geschaffen.

Der zweite Teil beginnt mit einer Zusammenfassung von Gesprächen mit Akteuren aus dem Innerstetal, die einen Eindruck der bisherigen Entwicklung der Region und Zukunftsthemen aus Sicht ihrer Bewohner vermittelt. Danach werden prägende Elemente der Kulturlandschaft herausgearbeitet, die als Anknüpfungspunkte für die zukünftige Gestaltung des Tals dienen können. Um die energetische Kapazität der Region aufzuzeigen, werden Strombedarf und -erzeugung erstmals gemeinde- und landkreisübergreifend kartiert sowie die Möglichkeit einer Selbstversorgung in diesem Bereich hochgerechnet. Als zweites Zwischenergebnis zeigt sich, dass eine regionale Autarkie unter Wahrung der charakteristischen Kulturlandschaft nicht möglich ist.

Der dritte Teil formuliert auf dieser Grundlage einen Vorschlag, wie die Region einen ersten Schritt in Richtung eines in die Kulturlandschaft eingebundenen Ausbaus der energetischen Selbstversorgung machen und diesen mit anderen Entwicklungszielen verknüpfen kann. Durch die dargestellte Umgestaltung des Talbereichs würde nicht nur mehr Energie erzeugt, sondern auch das Landschaftsbild vielfältiger, die Schwermetallflächen entlang der Innerste saniert, die Alltagsmobilität der Bewohner nachhaltiger sowie die landschaftlichen und baulichen Highlights der Region angereichert, miteinander verknüpft und für Besucher zugänglich gemacht.

Im vierten Teil wird das Gut Walshausen im Kontext der Analyse und der Veränderungsvorschläge auf Ebene der Region noch einmal neu betrachtet. Es wird ein Vorschlag gemacht, wie es neu genutzt und mit Energie versorgt werden kann. Dazu erfolgt eine Bilanzierung des Heizenergiebedarfes unter der Annahme verschiedener Einsparszenarien. Es wird gezeigt, dass sich durch eine saisonale Nutzung die Erschließung des Parkholzes als Energieträger lohnt und ein autarkes Energiekonzept möglich wird. Darüber hinaus kann das Gut als Gästehaus für verschiedene Zielgruppen als Beispielprojekt der Region der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Abschließend werden die dazu notwendigen baulichen Maßnahmen im Gebäudebestand gezeigt sowie ein architektonischer Entwurf für den Neubau eines Schauwasserkraftwerkes auf dem Gutsgelände entwickelt. Dieses wäre ein erstes Beispiel für eine zeitgenössische, regionale Baukultur im Innerstetal, die ortstypische Gebäudeformen mit intelligenter Energienutzung verbindet.

 

Ausblick

Die Diplomarbeit zeigt, dass die Nutzung erneuerbarer Energieträger ein Impulsgeber für die Entwicklung ländlicher Regionen sein kann, wenn sie auf die gewachsene landschaftliche Struktur reagiert und dazu beiträgt, historische Nutzungsmuster von Gebäuden und ihrer Umgebung in die Zukunft zu übersetzen. Das Ergebnis ist daher nicht auf das Gut Walshausen und das Innerstetal beschränkt, sondern auf andere strukturschwache Regionen übertragbar.

Die Ergebnisse der Arbeit wurden im Juni 2012 bei der Tagung „Bewahrung von Gärten, Klöstern und Gutshöfen durch Nutzung erneuerbarer Energie“ zentralen Akteuren der Region Innerstetal sowie externen Fachleuten vorgestellt. Daraus entstand die Initiative eines interdisziplinären Forschungsprojektes zur Vertiefung und Weiterführung der in der Diplomarbeit angeregten Überlegungen. Dieses befindet sich momentan, ebenso wie eine Publikation der Tagungsergebnisse, in der Vorbereitungsphase.